Stainz – Echte Grafen und falsche Berge

Es gibt einen Namen, der bis heute alles überstrahlt: Erzherzog Johann. Der Habsburger war Bürgermeister von Stainz – einmalig in der Geschichte Österreichs: ein Mitglied des Kaiserhauses als Bürgermeister eines Marktes. Sein Schloss ist im Privatbesitz seiner Nachkommen, der Grafen von Meran. Aktuell hat hier Franz Meran, einer seiner direkten Nachfahren, das Sagen. Mit allen Freuden und Lasten, die ein Leben als Schlossbesitzer mit sich bringt. Inklusive der jährlichen Dach-Übersteigung, bei der in luftiger Höhe Ziegel für Ziegel kontrolliert wird, ob alles am rechten Platz sitzt und auch hält. 
Neben einem echten Grafen gibt es in der Gegend gleich mehrere falsche Berge. Zumindest gewinnt man diesen Eindruck beim Blick auf die Ortsteilschilder der Gemeinde Stainz: Graggererberg, Unterfuggaberg, Tomberg, Sechterberg… man wähnt sich mitten in den Alpen. Wobei es doch nur die Ausläufer der Koralpe sind, deren höchste Erhebung in der Gegend gerade einmal 400 Meter hoch ist.

Johanna Schriebl geht in Stainz einer ungewöhnlichen Art von Landwirtschaft nach. Die Jungbäuerin züchtet auf dem elterlichen Hof Pilze. Genauer gesagt Seitlinge: gelb schimmernde Limonenseitlinge, exotische Rosenseitlinge, weiße Austernpilze – allesamt Diven. „Sie tun, was sie wollen“, sagt Johanna über ihre Zöglinge. Johannas Zugang zu Landwirtschaft unterscheidet sich von vielen. „Ich bin eine Bäuerin, die umgekehrt pendelt – von der Stadt zu ihrem Hof und am Abend wieder zurück.“ Denn die junge Frau lebt in Graz und fährt täglich die 50 Kilometer nach Stainz, um den Hof ihrer Eltern weiterzuführen.

Die Trachtenschneiderei von Joachim Weigl, die sich im Ortskern von Stainz befindet, ist mehr Institution als Geschäft. Neben ihm selbst führt hier auch noch seine mittlerweile 80-jährige Mutter mit ruhiger Hand Faden und Nadel. Vorgeführt werden die Weiglschen Stücke von ihren Besitzern dann gerne bei den weit über die Grenzen hinaus bekannten Schilchertagen. Über 10.000 Besucherinnen und Besucher fluten für einige Tage den kleinen Markt. Wobei, der letzte Tag, der traditionelle Trachten-Sonntag, der gehört den Einheimischen!

Im Dorfcafé lassen sich- neben hervorragendem italienischen Espresso und hausgemachter Zitronentorte – Wände entdecken, die mit österreichischer Gegenwartskunst zugepflastert sind. Der Inhaber des Cafés, Franz Lex, nimmt die „Kultur“ im Wort „Kaffeehaus-Kultur“ wörtlich. Um dieses Café wird die Weststeiermark sogar von den Großstädtern aus Graz und Wien beneidet. 

Im Wintergarten von Kurt Kager gibt es Dutzende historische Juke-Boxen zu bestaunen, allesamt liebevoll restauriert und voll funktionstüchtig. Bei seinem Freund Harald Kogler entdecken wir eine über Jahrzehnte gewachsene imposante Sammlung an Langspielplatten, darunter zahlreiche Raritäten, für die Liebhaber mittlerweile exorbitante Preise zahlen. 

Und es geht mit der Landjugend Rassach-Georgsberg zum Schnapsen, einem Kartenspiel, das in Stainz und Umgebung jeder beherrscht. Doch wenn in einer Spielpause die lokale Damen-Schuhplattler-Gruppe auftritt, gerät die Frage, wer am Ende das Bummerl hat, in den Hintergrund.