Richard David Precht: „Mit der Aufrüstung tun wir Putin den größten Gefallen!“

Mit Blick nach Genf scheint im Krieg zwischen Russland und der Ukraine ein Kriegsende am Verhandlungstisch möglich. Eine Idee, die in Politik und Medien noch vor kurzem kategorisch abgelehnt wurde. Vielmehr gelten seit Beginn des russischen Angriffskrieges jene, die nicht für eine bedingungslose Unterstützung der Ukraine sind, als „Putin-Trolle“ und „Russland-Versteher“. Wann haben wir verlernt, kontrovers miteinander zu diskutieren? Darüber sprach Michael Fleischhacker gestern bei „Talk im Hangar-7“ mit Österreichs Außenministerin Beate Meinl-Reisinger und dem Philosophen und Bestsellerautor Richard David Precht. Hier das Zitateservice:

Beate Meinl-Reisinger

„Entweder du definierst dich selber und bist in der Lage, mit einer Stimme deine Interessen zu vertreten - oder du wirst definiert. Das ist jetzt ein Schicksalsmoment für die Europäische Union, entschlossen, aber vor allem geschlossen die eigenen Interessen zu vertreten.“

„Europa muss in der Lage sein, in außenpolitischen Fragen, in Sicherheitsfragen mit einer Stimme zu sprechen.“

„Europa fehlt die Strategiefähigkeit. Wenn ich nicht einmal Beschlüsse zusammenbringe unter 27 Mitgliedstaaten, wie soll ich eine Strategie entwickeln, die dann auch vielleicht noch taktische Elemente für Verhandlungen beinhaltet?“

„Es ist sehr bemerkenswert, wie die Ukraine es geschafft hat, verteidigungsfähig zu sein, mit westlicher Unterstützung. Wenn es keine Unterstützung gegeben hätte, gäbe es jetzt keine Ukraine mehr.“

„Wir wollen keine Kriege führen, wir wollen Frieden. Frieden bedeutet aber auch, verteidigungsfähig zu sein, dass die Kosten eines Angriffs zu hoch werden, dass niemand es wagt, uns anzugreifen.“

„Es liegt nicht an der Ukraine, es liegt nicht an Europa und es liegt nicht an den USA, dass es zu keiner Verhandlungslösung kommt.“

„Es ist alles aufgeregt, es wird gestritten, aber eine grundsätzliche Debatte findet in vielen Bereichen nicht statt.“

Richard David Precht

„Die Ukraine kann diesen Krieg nicht gewinnen. Damit ist klar, dass wir diesen Krieg verlängern, verlängern und verlängern.“

„Wir haben – und das ist das Leidvolle bei all der guten Absicht – die Situation für die Ukraine schlechter gemacht, als sie vor drei Jahren war.“

„Das ist der Punkt, den ich den Europäern vorwerfe: Wir schüren Illusionen. Diese Art von Außenpolitik, die illusionär ist – ist die dafür da, um den eigenen Wählern zu zeigen, dass man auf der guten Seite ist und dass man moralisch ist? Weil am Ende, wenn es um den Friedensvertrag geht, wird der Beitrag, den die Europäer jetzt geleistet haben, leider gar nichts zählen.“

„Ich glaube, dass diese Machtspielchen mit den Drohnen in allererster Linie die Funktion haben, dass wir wie die Weltmeister aufrüsten. Das ist mit Abstand der größte Gefallen, den wir Putin überhaupt tun können. Wir ruinieren unsere Volkswirtschaften damit. Und da er gesehen hat, dass wir da so allergisch drauf reagieren, hat er ein großes Vergnügen daran, seine Drohnen hierhin zu schicken.“

„Wir verstricken uns in einen mörderischen Rüstungswettlauf, der uns als Europäer gänzlich das Genick brechen wird.“

„Kennen Sie eine deutsche Talkshow, in der vier Kritiker der Regierungshaltung zur Ukraine gesessen haben und nur einer, der sie verteidigt: Hat es das ein einziges Mal gegeben?“

„Ich wurde einsortiert als Querdenker und bizarrerweise sogar ins rechtsradikale Milieu – und das von so genannten Qualitätsleitmedien wie der Frankfurter Rundschau oder dem Spiegel. Also wenn das nicht eine Verengung der Meinungstoleranz ist, dann weiß ich nicht, was eine Verengung der Meinungstoleranz ist.“

„Die Schattenseite besteht darin, dass wir wahnsinnig erregbar geworden sind. Sehr, sehr viel schneller als früher. Dass unsere Resilienz geringer geworden ist. Und dass wir bei abweichenden Meinungen sofort dem anderen eine üble Gesinnung unterstellen.“


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Die gesamte Sendung zum Nachsehen gibt es bei ServusTV On.